Die Vapefly Brunhilde MTL finden Sie bei Dampfmatiker hier.
von Christoph Keller
Genealogie eines Verdampfers
Brunhilde sprach die Benutzer altehrwürdiger Topcoiler genauso an wie Wickelanfänger, woran vielleicht auch ein kleiner Minuspunkt zutage trat, da der Verdampfer in vielen Fällen nur gekauft wurde, weil man ihn einfach haben musste. Oft war dabei wohl – sicherlich aufgrund des Hypes – die Begierde treibend, einen Verdampfer zu besitzen, der möglicherweise alles andere in den Schatten stellen könnte. Aber erstens kochen alle Verdampfer nur mit Propylenglykol und Glycerin und zweitens lässt sich solch ein Gerät nicht unbedingt in einer Art und Weise neu erfinden, dass der Verdampfer gleichsam aus sich selbst ein Alleinstellungsmerkmal darstellt.
So kam vielerorts die Ernüchterung, als man sich Brunhilde endlich dampfend zur Brust nehmen konnte und unter Umständen feststellte, dass „sie“ eben doch nur ein Verdampfer ist – ein sehr guter zwar, aber eben nur ein Verdampfer – und keine sagenhafte Lichtgestalt.
Dennoch: ich oute mich und gebe zu, dass ich Brunhilde auch gekauft habe und noch immer von ihr begeistert bin. Insbesondere nachdem der Preisverfall eingesetzt hat, ist Brunhilde sicherlich ein Verdampfer, der mehr als sein Geld wert ist. Ein Verkaufsschlager war Brunhilde auch, und das war wohl Grund genug für Vapefly und die 103 germanischen Dampferrecken, eine MTL-Version nachzuschieben.
An der Stelle kann man jedoch eins feststellen; der Dampfenmarkt scheint sich immer mehr nur noch auf zwei Dinge zu konzentrieren: Pod-Systeme und MTL-Verdampfer. Ja, MTL ist wieder auf dem Vormarsch; ich denke, wir hatten nie zuvor ein solch breites Angebot an MTL-Verdampfern, zumindest was die Selbstwickler angeht. Im Grunde gehört es zum guten Ton eines jeden Herstellers, doch einen oder zwei MTL-Verdampfer in die Öffentlichkeit zu emittieren.
Im Falle von Vapefly, wo es deutlich mehr als ein oder zwei MTL-Knechte im Angebot gibt, noch dazu sehr gute, stellt sich mir unwillkürlich die Frage, was denn nun die Triebfeder für Brunhilde MTL war.
Vielleicht war es einfach nur die Idee, einen tollen Topcoil-MTL-Verdampfer zu bauen?Interessant wäre dies schon, da die anderen Topcoiler am Markt kaum eine native MTL-Version bereit stellen, allenfalls nach einer Modifikation. Von daher erscheint Brunhilde schon spannend. Es könnte aber auch der Versuch sein, an den Megaerfolg der ursprünglichen Brunhilde anzuknüpfen. Ich weiß es nicht, glaube aber, dass beides so ein bißchen Intention der MTL-Brunhilde war. Dass sich der Hype nicht wiederholen wird, dürfte jedoch inzwischen allen aufgefallen sein – denn nachdem die Ur-Brunhilde alle Social Media-Gruppen wochenlang in omnipräsenter Weise stimuliert hat, fällt die kleine MTL-Brunhilde im allgemeinen, öffentlichen Interesse so ein bißchen ab.
Ich finde das im Grunde vorteilhaft, und zwar für das Gerät selbst, weil es dann vielleicht etwas objektiver von den Käufern aufgenommen wird, und auch für mich als Reviewer, weil ich nicht soviel Angst haben muss, 50% der Käufer vor den Kopf zu stossen, ganz gleich, in welche Richtung.
Fast wie die Große, nur kleiner
Ein MTL-Verdampfer ist systembedingt kleiner als einer für den DTL-Genuss. So haben sich die Maße der MTL-Bruni gegenüber der Ur-Mutter insgesamt verkleinert, wie man auf dem Vergleichsfoto sehr gut sehen kann. Brunhilde MTL hat somit einen Durchmesser von 23 mm, wodurch sie sich auch für die kleineren, MTL-orientierten Akkuträger qualifiziert.
Das Besondere an Brunhilde als MTL-VD ist die Bauart. Wie die Ur-Brunhilde ist sie als Topcoiler konzipiert: der Liquidtank befindet sich unterhalb des Decks und die Wicklung sitzt unmittelbar unter dem Ausgang zum Driptip. Es gibt also keinen Kamin, sondern nur den direkten Übergang ins Driptip selbst. Konventionelle RTAs, auch Bottomcoiler genannt, haben ihr Coildeck am Boden des Tanks in einer Glocke, während sich das Liquid im Tank um diese Glocke herum befindet. Ein wesentlicher Unterschied ist also, dass bei einem Bottomcoiler das Liquid praktisch von oben nach unten zur Watte fließt, beim Topcoiler von unten nach oben.
Im Grunde funktioniert ein Topcoiler wie ein Tröpfler mit Tank (RDTA). Der wesentliche Unterschied ist, dass hier die Watte nicht nach unten in den Tank gezogen wird, sondern Edelstahldochte die Liquigsättigung der Watte bewerkstelligen. Dies geschieht über die physikalische Gesetzmäßigkeit der Kapillarität, bei der die Flüssigkeit innerhalb eines im Durchmesser engeren Gefäßes gegenüber der in einem weiteren Gefäß tendenziell nach oben gegen die Gravitationskarft „flüchtet“. Das Prinzip ist dasselbe wie beispielsweise bei einem Baum, der das Wasser mit den Wurzeln von unten aufnimmt und nach oben bis in seine Spitze transportiert. Je enger die Kanäle im Innern sind, desto effektiver flüchtet die Flüssigkeit nach oben. Dies macht man sich mit den Edelstahldochten in einem Topcoiler zunutze, da die „Kanäle“ zwischen den Fasern des Dochtes sehr eng sind und damit das Liquid sehr zuverlässig nach oben steigt.
Die Bauweise des Topcoilers haben beide Hilden also gemeinsam, allerdings mit einem wesentlichen Unterschied hinsichtlich des Coildecks. Im Gegensatz zu dem Dual Coil-Deck der Ur-Brunhilde beherbergt die MTL-Brunhilde eines für den Single Coil-Einsatz. Entsprechend gibt es auch nur zwei Edelstahldochte nach unten in den Tank, jeweils unter der Watteposition.
Die Schraubenpfosten des Decks sind so ausgelegt, dass das Einsetzen linksgedrehter und auch rechtsgedrehter Coils möglich ist, es gibt also zwei Schrauben pro Pfosten. Man könnte meinen, dass das aus benutzerfreundlicher Sicht so gebaut ist. Jedoch ist dies eher eine Konsequenz aus physikalischem Ansinnen hinsichtlich einer koordinierten, geplanten Airflow: gäbe es nur einen schmalen Pfosten pro Seite, würde die Luft aus dem Austritt unter der Coil sozusagen planlos in der Kammer verwirbelt. Mit ihrer länglichen Bauart formen die beiden Pfosten jedoch die Verdampferkammer innerhalb der Gesamtglocke. Dies ist gerade für die MTL-Verdampfung existenziell.
Wie man auf dem Foto mit der transparenten Glocke (Fotomontage) sehen kann, gibt es ab Oberkante der Pfosten nur noch sehr wenig Spiel zur Decke der Glocke, wobei die Coil praktisch direkt unter dem Driptip-Eingang zu liegen kommt; je nach Position etwas höher oder niedriger. Der Dampf wird also trotz der relativ großen Kammer der Konstruktion recht zielgerichtet transportiert.
Flexibler Luftstrom
So wie es inzwischen zahlreiche Hersteller erfreulicherweise tun, hat auch Vapefly den Airflowauslass unter der Coil mittels austauschbarer Pins flexibel gestaltet. Die Pins werden einfach in den Airflowkanal eingeschraubt, das ist einfach zu machen, stabil und funktioniert uneingeschränkt gut. Im Lieferumfang finden sich insgesamt 6 Pins mit den Durchmessern: 0,9 mm | 1,2 mm | 1,4 mm | 1,8 mm | 2,1 mm | 2,5 mm.
Diesen Innendurchmessern steht eine Außenöffnung mit einem Durchmesser von 3 mm gegenüber, was gewährleistet, dass der innere Auslass bei keinem Pin weiter als der Einlass ist – so soll es sein. Die bereitgestellten Schrauben dürften nahezu jede MTL-Präferenz reflektieren: mit 0,9 mm ist es mir schon fast nicht möglich, genussvoll zu dampfen. Das hängt jedoch weniger an der Schraube im Allgemeinen oder an Brunhildchen im Besonderen, sondern an mangelndem Training meiner Backenmuskulatur. Mir sind 0,8 oder 0,9 mm auch in anderen Verdampfern zu stramm. Es gelingt mir dann nicht, fest genug zu ziehen, dass genug schnelle Luft unter die Coil kommt. Dampfer die solch enge Airflows lieben, haben hier vermutlich mehr Glück.
Die nächsten beiden Abstufungen 1,2 und 1,4 mm sind mir am liebsten. Hier habe ich einen noch immer recht guten Zugwiderstand, genug Luft und Dampf und keine Probleme mit zu warmem Dampf oder einer „warmen“ Brunhilde. Bei diesen Öffnungen besteht auch ein relativ gesundes Verhältnis zur Außenöffnung. Da 1,2 und 1,4 mm weniger als der halbe Durchmesser der Außenöffnung ausmachen, entsteht hier eine effektive Luftkompression unter der Coil, die für meinen Geschmack am besten mit der Kammerkonstruktion harmoniert.
Bei den größeren Durchmessern nimmt diese Kompression dann auch deutlich ab. Mir wird der Zug dann zu offen und bei der größten Schraube von 2,5 mm, die quasi der Außenöffnung entspricht, flacht die Geschmacksintensität und die Dampfdichte dann auch deutlich ab. Hier müsste man dann wieder mit größeren Coils und höheren Leistungen agieren, was aber meines Erachtens von einem gediegenen, klassischen MTL-Genuss weg führt.
Da die Airflowschrauben von oben eingebracht werden müssen, ist ein Wechsel bei installierter Coil nicht möglich. Das könnte man als Minuspunkt werten, ist es aber nicht wirklich. Da die Watte von der Coil aus nicht in irgendwelchen Kanälen verlegt ist, sondern einfach nur auf den Dochten aufliegt, ist es problemlos möglich, die Coil einfach abzuschrauben, mit einer Pinzette wegzuheben, zur Seite zu legen und die Airflowschraube zu wechseln. Anschließend schraubt man die Coil wieder ein wie sie vorher war und legt die Watte einfach wieder auf die Dochte. Mit einigermaßen Fingerspitzengefühl ist das schnell erledigt.
Schneiden und Legen
Wie im vorhergehenden Abschnitt erwähnt, ist Brunhildes lockiges Haar schnell gewickelt und gelegt, sofern man mit der Wicklung im Bereich von 2,5 mm Durchmessern agiert. Denn dann besteht ein gesundes Verhältnis in den Abständen der Coil zur Airflow, zu den luftführenden Pfosten und zum Kamin. Die Coil ist schnell angebracht, die Watte zieht man durch und legt sie nach dem Zuschneiden auf die passende Länge einfach auf die kleinen Aussparungen mit den Dochten. Hier ist darauf zu achten, dass die Watteenden möglichst senkrecht zur Öffnung stehen und nicht darauf gepresst werden. Dann klappt‘s auch mit dem Nachfluss, der aber bei den geringen Liquidmengen und MTL sowieso kein Thema ist. Zumindest bei mir dampfte Brunhilde ordnungsgemäß nach der ersten Wicklung direkt aus der Packung ohne Beanstandungen über viele Tankfüllungen.
Alternative Driptips
Vapefly legt der MTL-Hilde zwei Driptips bei, ein relativ kurzes sowie ein deutlich längeres, das zweigeteilt ist in ein sehr schick anmutendes Resin-Oberteil und ein Edelstahl-Unterteil, das einerseits als Wärmeableitung fungiert (Heat Shrink) und anderseits das Design am oberen Ende der Topcap optisch fortsetzt. Zudem hat das längere Driptip eine engere Innenbohrung. Es liegt auf der Hand, dass dieses zweigeteilte Driptip das eigentliche Driptip dieser Brunhilde darstellt, auch wenn sie auf den Fotos meistens mit dem kurzen zu sehen ist. Denn dieses längere Driptip übernimmt in diesem Fall des Topcoilers auch eine latente Kaminfunktion: der Dampf wird etwas kühler und wird mehr gerichtet. Mit diesem Driptip ist eine wesentlich stärkere Geschmacksentfaltung wahrzunehmen – und auch ein angenehmeres Zuggeräusch.
Ich rechne es Vapefly sehr hoch an, für die Driptip-Ausstattung der Brunhilde ein derartige Flexibilität bereit zu stellen. Hier könnten sich manch andere Hersteller noch ein Scheibchen abschneiden – zumal die Optik des Verdampfers drastisch gewinnt.
Kompletter Lieferumfang
Nimmt man die beiden Driptips sowie die 6 Airflowschrauben, die nebenbei bemerkt ordentlich und sauber in einer kleinen Kunststoffhülle nebst weicher Fixierung untergebracht sind und nicht wie oft gesehen, in irgendwelchen Plastiktütchen umher fallen, nimmt die beiden Coils und die Watteproben, die Ersatzteile hinzu, muss man dem schmucken Gesamtpaket einen vollständigen und aufgeräumten Eindruck bescheinigen.
Auch an dieser Stelle mag ich Vapefly einfach: die Packung ist stabil, ansprechend designed und beinhaltet fein säuberlich aufgeräumt alles, was den geneigten Brunhilde-Nutzer oder die -Nutzerin mit Zufriedenheit erfüllt.
Fazit
Aus meiner Sicht ist die MTL-Version der Brunhilde durchaus gelungen: man bekommt – trotz Topcoiler – einen waschechten MTL-Verdampfer, der so konstruiert ist, dass die systembedingten Schwachpunkte der großen Kammer recht gut kompensiert sind. Gleichzeitig hat man daran gedacht, die Airflow auf physikalisch sinnvolle Weise effektiv zu flexibilisieren, was die Brunhilde für nahezu jeden MTL-Geschmack taugen lassen dürfte.
Geschmacklich macht sie auf mich einen ausgewogenen Eindruck, auch was die Dampfdichte und-konsistenz angeht. Brunhilde MTL schmeckt sehr gut, hat aber bezüglich der allgemeinen Geschmacksentfaltung und -intensität noch etwas Luft nach oben, zumindest, wenn man sie mit den Platzhirschen vergleicht, die inzwischen im Bewusstsein vieler MTL-Dampfer die obere Spitze darstellen.
Sieht man aber das Gesamtpaket: ein fein verarbeiteter Verdampfer mit einem eigenständigen Design, der alle Kriterien eines echten MTL-Spezialisten erfüllt, noch dazu in der Nischenexistenz als Topcoiler, geliefert mit einer kleinen Grundausstattung für die erste Wicklung, 6 Airfloweinsätzen und zwei wirklich alternativen Driptips, dann bekommt man einen gediegenen Gegenwert für sein Geld. Und wer noch ein bißchen drauflegt, bekommt im sogenannten Driptip-Set ein Resin-Ersatzglas mit einem zusätzlichen Heatshrink-Driptip, das dazu noch zwei Aufsätze hat – und das in den Farben schwarz, weiß, grün und – aufgemerkt – lila.
Im Gegensatz zur Ur-Brunhilde halte ich die MTL-Brunhilde durchaus auch für MTL- und Wickelanfänger als geeignet. Man kann eigentlich kaum etwas falsch machen, weder beim Wickeln, noch beim Kaufen.
Sollte Sie dieser Testbericht zum Kauf einer Brunhilde MTL inspirieren, würden wir uns natürlich freuen, wenn Sie den Kauf bei uns Dampfmatikern tätigen würden. Die Brunhilde MTL finden Sie im Dampfmatiker-Shop genau hier.
Veröffentlicht in DAMPFERmagazin Nr. 60, 2019
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